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Beitreibung von Forderungen

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1. Für die vorerst außergerichtliche Forderungsbeitreibung bieten sich auch in Italien Anwälte (siehe Listen Deutsch-korrespondierender Rechtsanwälte auf der Internetseite der deutschen Vertretungen in Italien) und Inkassobüros (z. B. deutsch-italienische Handelskammer) an.

2. Im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit einer Forderungsbeitreibung ist die Einholung von Auskünften über einen Schuldner mittels eines italienischen Anwalts ein effizienter Weg. In Italien ist dies im Vergleich zu Deutschland erleichtert möglich, da die öffentlichen Register für Immobilien, Kraftfahrzeuge, Schiffe und Handelsregister namensbezogen geführt werden und kein besonderes Interesse nachzuweisen ist. Wesentlich für den Erfolg dieser Recherchen sind die möglichst umfassenden personenbezogenen Daten des Schuldners, insbesondere Geburtsdatum und Geburtsname. Viele italienische Anwälte verfügen über eine Lizenz, um auf diese Register online zugreifen zu können. Wichtig ist in diesem Zusammenhang darüber hinaus z. B. zur Sicherstellung der Zustellung außergerichtlicher bzw. gerichtlicher Schriftstücke die Ermittlung des Wohnsitzes des Schuldners. Auch in Italien erteilen die kommunalen und im Internet abrufbaren Einwohnermeldeämter (ufficio anagrafe) auf persönliche oder schriftliche Anfragen Auskunft. Bei Gesellschaften resultiert der Sitz in der Regel bereits aus der Handelsregisterauskunft (registro delle imprese).

3. Scheitern die außergerichtlichen Beitreibungsbemühungen des Gläubigers, ist Klage geboten. Vorab ist insoweit die nachfolgend unter Ziffer 3.1. erläuterte internationale Zuständigkeit (giurisdizione) zu prüfen, also die Frage, ob z. B. deutsche und/oder italienische Gerichte zuständig sind. Dreh- und Angelpunkt hierfür ist die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des  Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl L 351 S 1, kurz Brüssel Ia-VO, auf Italienisch abgekürzt: Regolamento Bruxelles I-bis).

Die Brüssel Ia-VO ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt (Art. 1 Abs. 1). Sie gilt jedoch nicht für:

  • den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen, die ehelichen Güterstände oder Güterstände aufgrund von Verhältnissen, die nach dem auf diese Verhältnisse anzuwendenden Recht mit der Ehe vergleichbare Wirkungen entfalten; Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren;
  • die soziale Sicherheit;
  • die Schiedsgerichtsbarkeit;
  • Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf  Schwägerschaft beruhen;
  • das Gebiet des Testaments- und Erbrechts, einschließlich Unterhaltspflichten, die mit dem Tod entstehen.

3.1.  Zur Frage der internationalen Zuständigkeit (giurisdizione) gibt die Brüssel Ia-VO die Voraussetzungen für die allgemeine, besondere und ausschließliche Zuständigkeit in ihrem Anwendungsbereich abschließend vor:

Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates haben, sind ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen (Art. 4). Bei Gesellschaften und juristischen Personen ist insoweit ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung maßgeblich (Art. 63 Abs. 1). Von diesem Grundsatz gibt es eine Reihe wichtiger Ausnahmen, insbesondere kann nach Art. 7 Abs. 1 eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Anspruch aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bildet. In diesem Fall ist auch das Gericht des Ortes zuständig, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Für den Verkauf beweglicher Sachen ist dies der Ort in einem Mitgliedsstaat, an den sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen; für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedsstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen.  Ebenso kann nach Art. 7 Abs. 2 am Ort der unerlaubten Handlung geklagt werden. Für Klagen bei Verbrauchersachen ist die Zuständigkeit in Art. 17 ff. geregelt. Die ausschließlichen Zuständigkeiten (z. B. dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie Miete oder Pacht, Klage über die Gültigkeit, Nichtigkeit oder Auflösung einer Gesellschaft sowie bei sog. Gerichtsstandsvereinbarungen) sind in Art. 24 und 25 aufgeführt.

3.2. Wenn der Gläubiger sich dafür entscheidet, in Deutschland zu klagen oder aufgrund ausschließlicher Zuständigkeit deutscher Gerichte hier seine Forderung titulieren lassen muss, kann er hieraus nach den jeweils geltenden Bestimmungen in Italien die Zwangsvollstreckung betreiben (Details in deutscher Sprache hier abrufbar).

3.2.1. Im Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO erfolgt die Anerkennung deutscher Entscheidungen automatisch (Art. 36 Abs. 1). Aber auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Brüssel Ia-VO werden ausländische Entscheidungen in Italien nach Art. 64 ff. des italienischen IPR-Gesetzes Nr. 218 vom 31.05.1995 grundsätzlich anerkannt,

  • wenn das erlassende Gericht entsprechend den italienischen Rechtsgrundsätzen über die gerichtliche Zuständigkeit in dem Rechtsstreit entscheiden durfte;
  • wenn das das Verfahren einleitende Schriftstück nach deutschem Recht dem Beklagten zur Kenntnis gebracht und die wesentlichen Verteidigungsrechte nicht verletzt wurden;
  • wenn sich die Parteien rechtmäßig in das Verfahren eingelassen haben oder die Säumnis rechtmäßig erklärt wurde;
  • wenn das Urteil entsprechend dem deutschen Recht rechtskräftig geworden ist;
  • wenn es nicht mit einem anderen, rechtskräftigen italienischen Urteil in Widerspruch steht;
  • wenn kein vor dem deutschen Gericht begonnenes Verfahren vor einem italienischen Gericht bezüglich derselben Sache und Parteien anhängig ist;
  • wenn das Urteil keine gegen die Grundwerte der italienischen Rechtsordnung verstoßenden Wirkungen erzeugt.

Dies gilt jedoch nicht, falls – nur außerhalb des Anwendungsbereichs der Brüssel Ia-VO – vorrangig (Art. 2 des vorgenannten italienischen IPR-Gesetzes) das deutsch-italienische Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen von 1936 anwendbar sein sollte. Im Falle eines Streites über die Anerkennungsvoraussetzungen entscheidet in der Regel das zuständige Oberlandesgericht (Corte di Appello).

Seit dem 10.12.2015 sind in einem EU-Mitgliedstaat selbst nur vorläufig vollstreckbare Vollstreckungstitel in allen anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf (Art. 39 Brüssel Ia-VO). Aber auch insoweit unterliegt die Vollstreckung in Italien dem italienischen Vollstreckungsrecht (Art. 474 ff. c.p.c.- italienische Zivilprozessordnung). In der Praxis hat der Zwangsvollstreckungsgläubiger den deutschen Vollstreckungstitel nebst Bescheinigung nach Art. 53 Brüssel Ia-VO jeweils nebst begl. Abschrift (ein Exemplar verbleibt beim Zwangsvollstreckungsschuldner, die Originale erhält der Zwangsvollstreckungsgläubiger nebst Zustellungszeugnis zurück) und durch eine in einem EU-Mitgliedstaat hierzu befugte Person gefertigte Übersetzung dem Zwangsvollstreckungsschuldner durch den örtlich zuständigen Gerichtsvollzieher zustellen zu lassen. Signifikante Vereinfachungen bewirkt der sog. telematische Zivilprozess (processo civile telematico). Die Versagung der Vollstreckung nach Art. 46 f. Brüssel Ia-VO kann vom Schuldner beim zuständigen Landgericht beantragt werden. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist der beim zuständigen Oberlandesgericht einzulegende Rechtsbehelf statthaft (Art. 49 Brüssel Ia-VO). Für den weiteren Rechtsbehelf nach Art. 50 Brüssel Ia-VO ist der römische Kassationshof zuständig.

Außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO bzw. Brüssel Ia-VO und des bilateralen Abkommens von 1936 kann jedermann unter Nachweis seines berechtigten Interesses gemäß Art. 67 des italienischen IPR-Gesetzes das örtlich zuständige Oberlandesgericht anrufen, wo die ausländische Entscheidung ihre Wirkung entfalten soll.

4. Auf ausländische Schiedssprüche richtet sich die Anerkennung und Vollstreckbarkeit seit der umfassenden Reform im Jahr 1994 nach Art. 839 der italienischen Zivilprozessordnung sowie im Übrigen nach folgenden Staatsverträgen: New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958; Genfer Europäisches Übereinkommen über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.04.1961 sowie Pariser Vereinbarung über die Anwendung des Europäischen Übereinkommens über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 17.12.1962.

5. Seit 2009 ist die grenzüberschreitende Beitreibung von Forderungen bis maximal 5.000,00 € (ohne Zinsen, Kosten und Auslagen) erheblich verbessert worden durch die Europäische Verordnung Nummer 861/2007 zur Einführung eines Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (EuGFVO). Die Formulare für dieses erste europaweit einheitliche Zivilprozessverfahren sind hier abrufbar.

6. Neben einem gegebenenfalls langwierigen Klageverfahren ermöglicht bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen das gerichtliche Mahnverfahren eine verhältnismäßig schnelle Titulierung. Alternativ zu dem deutschen Mahnverfahren (§§ 688 ff. der deutschen ZPO) bzw. italienischen Zahlungsbefehl (decreto ingiuntivo, vgl. Artikel 633 ff. c.p.c.) bietet sich bei grenzüberschreitenden Sachverhalten seit Ende 2008 das in Deutschland ausschließlich beim Amtsgericht Berlin-Wedding, in Italien bei dem jeweils örtlich zuständigen Zivilgericht geführte Europäische Mahnverfahren (Decreto ingiuntivo europeo) nach der entsprechenden Europäischen Verordnung Nummer 1896/2006 (EuMVVO) an. Alle Details sind im Internet unter folgendem Link abrufbar.

7. Besonderheiten gelten für die grenzüberschreitende Beitreibung von Schadenersatzforderungen aus Verkehrsunfällen in Italien. Nach der Verordnung (EU) Nr. 2005/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 (sog. 5. KH-Richtlinie) besteht u.a. eine Klagemöglichkeit am Geschädigten-Wohnsitz. In der Praxis kommt es trotz dieser erheblichen Erleichterungen zu Verzögerungen. Dies liegt zum einen daran, dass die sog. Regulierungsbeauftragen in Deutschland nunmehr ihrerseits der oft äußerst zögerlichen Sachbearbeitung ihrer italienischen Kollegen ausgesetzt sind. Zum anderen bleibt es bei der Anwendbarkeit des italienischen Tatortrechts. Die Unterschiede zwischen deutschem und italienischem Schadenersatzrecht sind nicht unerheblich (bei Personenschaden Schmerzensgeld, bei Sachschaden z. B. keine Erstattung von Gutachterkosten). Hierzu ist die Hinzuziehung eines italienischen Anwalts selbst bei einer Klageerhebung in Deutschland zu empfehlen.

8. Für grenzüberschreitende Unterhaltsforderungen resultiert die internationale Zuständigkeit (Art. 5 Nr. 2) deutscher und/oder italienischer Gerichte sowie Anerkennung und Vollstreckung aus der Europäischen Verordnung über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (kurz EuUnthVO). Einzelheiten sind im Internet abrufbar auf der Website des Bundesamts für Justiz.

9. Für die Durchführung eines Gerichtsverfahrens in Italien halten die deutschen Vertretungen in Italien Listen mit Deutsch-korrespondierenden Rechtsanwälten bereit. Einige davon verfügen über eine sog. Doppelzulassung und können über ihre in beiden Staaten existierenden Kanzleien ohne Einschränkungen gleichermaßen gerichtlich und außergerichtlich auftreten.

10. Die Zwangsvollstreckung in Italien richtet sich sowohl für inländische wie auch für ausländische in Italien für vollstreckbar erklärte Vollstreckungstitel nach italienischem Vollstreckungsrecht (Art. 474 ff. c.p.c.). Dies gilt auch für den Europäischen Vollstreckungstitel etc. Anders als in Deutschland ist zwingende Vollstreckungsvoraussetzung nach Art. 479 c.p.c. die  Zustellung des Vollstreckungstitels und einer sog. Leistungsaufforderung (precetto). Auch bezüglich der gebotenen Begründung eines Wahldomizils am Vollstreckungsort ist deshalb die Hinzuziehung eines italienischen Anwalts zweckmäßig. Nicht zu unterschätzen ist im Übrigen der Übersetzungsaufwand, selbst bei einem Europäischen Vollstreckungstitel, da auch hier mit der Leistungsaufforderung die in Italien gerichtlich beeidete Übersetzung des deutschen Vollstreckungstitels zuzustellen ist. Da in Italien anders als in Deutschland alle Zustellungen stets von der Partei und nicht vom Gericht durchzuführen sind, müssen alle Vollstreckungstitel nebst beeideter Übersetzungen und precetto jeweils in zweifacher, mindestens beglaubigter Abschrift der italienischen Zustellungsbehörde (Gerichtsvollzieherverteilerstelle) vorgelegt werden. Der Zustellungsvermerk (relata di notifica) wird nach erfolgter Zustellung am Ende der an den Zwangsvollstreckungsgläubiger wieder ausgehändigten Originalunterlagen vermerkt. Eine ausführliche Erläuterung des italienische Zwangsvollstreckungsrechts nebst Übersetzungen der einschlägigen Bestimmungen sowie Formularen ist im Länderbericht Italien des vom Deubner-Verlag verlegten Handbuch der Internationalen Zwangsvollstreckung enthalten.

Die Europäische Kommission hat darüber hinaus ein sog. Europäisches Justizielles Netz für Zivil- und Handelssachen erstellt, über welches u. a. zur europaweiten Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen weiterführende Informationen abrufbar sind.





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